Das tragische Schicksal der Erdbeere

Geschichte wiederholt sich. Und fast immer sind die Roten im Visier.

Hier waren sie vor der Verfolgung noch sicher.

An den in meinem näheren Umfeld unübersehbar vermehrt zu verzeichnenden Aktivitäten in den vergangenen Tagen war unschwer zu erkennen, dass sich nahe dem Untergrund wieder etwas zusammenbraut.Nur eine Antwort auf die in mir lodernde Frage, wem oder was diese ungewöhnliche Betriebsamkeit geschuldet ist, blieb mir bis vor wenigen Minuten verwehrt.
Diese beinahe schon permanente Unfähigkeit im Erkennen, was Veränderungen, Umwälzungen und für sich zusammenbrauende Revolutionen vor meiner Haustür betrifft, sind Nebenwirkung einer fast schon kindlichen Naivität, die seit der Bekundung meiner Frau, ich sei mit Abstand das Beste, was bisher ihre Wege gekreuzt habe, partout nicht mehr abzulegen gedenke. Doch ganz alleine dieses Handicap für so manches Versäumnis oder bis zur Perfektion zelebrierten Schlafmützigkeit verantwortlich zu machen, wäre ungerecht und brächte eine Diskussion über die Denunziation in ihrer vollendeten Form in Schwung. Ein Vorgang, dem ich aus reiner Interessenlosigkeit nur schwer folgen kann und zudem auch noch die Gefahr in sich birgt, das Abendessen zu versäumen.

Aber nun herrscht endlich Gewissheit. Alle Hoffnungen, jeder noch so geringe Zweifel an der Unvorstellbarkeit der Dinge – weggefegt wie mit einem Turbo-Laubbläser von meiner rosa-roten Brille, die mir ansonsten immer den klaren Blick auf das Erträumte gewährt. Meine Frau, das Goldstück, Hasenpfeffer, Edelstein und Gewürzspender in meinem Dasein, steht vor mir mit einem breiten Lächeln im Gesicht und gibt die Richtlinien für die kommenden Minuten bekannt:

„Es ist höchste Zeit, dass die jetzt vernichtet werden!“


Ein Fehler Farbe zu bekennen

Mir fehlt das detaillierte Wissen, auf welche Worte seinerzeit Maximilien de Robespierre zurückgriff. Doch ob der Aufruf zur Abschaffung des Absolutismus und die damit zusammenhängende Dezimierung ihrer Befürworter, so prägnant formuliert wurde, ich wage es zu bezweifeln.
Dies mag wohl damit zusammenhängen, dass mein ehemals doch so liberales Weib, bei der Vernichtung der Roten lange Erklärungen offenbar für überflüssig hält.
Ob das Entsetzen mir momentan ins Gesicht geschrieben ist, die Fassungslosigkeit auf meiner Schulter sitzt oder die offenbare Ratlosigkeit sich zu einer Verkrümmung der Wirbelsäule weiterentwickeln kann? Ich weiß es nicht.
Ich starte einen letzten Versuch mit den richtigen Worten genau die Ader der Richterin über die Roten zu treffen, durch die in früheren Zeiten die Humanität spazierte.

„Kommt überhaupt nicht in die Tüte. Dafür kannst du mich nicht begeistern!“


Ich denke mich klar und deutlich ausgedrückt zu haben. Zum Handlanger der Roten-Vernichter tauge ich nun mal nicht. Gerade ich, der Erfinder des Sozialismus in Dosen und Kommunismus in Aspik mit scharfer Vinaigrette, soll für dieses Verbrechen auserkoren sein?
Doch wie das Leben mich jetzt lehrt, der Träumer bleibt ungehört. Amazonen bestimmen das Geschehen.

„Wenn wir die jetzt nicht vernichten, nimmt das mit denen Überhand. Also stell‘ dich nicht so an und hol dir schon mal ein kleines Messer, um ihnen den Kragen zu entfernen.“



Kopf ab, Hals ab und das war‘s! Ich verkrafte diese Grausamkeiten einfach nicht. Die Entscheidung für die Verkrümmung der Wirbelsäule sollte mir zumindest gewährt werden. Doch scheinen die Zeiten des kultivierten Wortwechsels endgültig vorbei.

Vor mir steht eine Schüssel mit lauter roten Köpfen. Doch egal wie hoch der Druck auch sein mag, der gerade auf mich ausgeübt wird, eine Portion ziviler Ungehorsam scheint mir angebracht.
Ich bestreue die Roten mit etwas Vanille-Puderzucker und gewähre ihnen eine weiße Haube aus griechischem Joghurt. Erst jetzt kann die Vernichtung beginnen.
Der Inquisitorin ist ein solches Erbarmen fremd.
Die Roten werden Pur vernichtet.






Gedanken in der Feder.png

H2
H3
H4
Upload from PC
Video gallery
3 columns
2 columns
1 column
17 Comments